Texts

Der „Gezeichnete“

Ein Bleistift hat mich vergewaltigt,
Hat meine Züge vergestaltigt
Und hinterlistig auf ein Blatt
Papier gebracht.
Ich muss gesteh’n, der Bleistift hat
An sich die Sache gut gemacht.

Wer aber gab ihm die Erlaubnis?!
Nun weiss ich nicht recht, ob das Raub ist.
Gehört die Miene nun dem Blei?
Gehört sie mir? – Wie dem auch sei.
Die Fratze und der Bleistiftstrich
Verhöhnen und versöhnen sich
Und zogen darauf Hand in Hand
Ganz freundschaftlich ins weite Land.

Denn beide sind – das ist der Witz –
Im Grunde kein Privatbesitz.

aus: Reisebriefe eines Artisten, S. 69

von Joachim Ringelnatz

The „Marked Man“

A pencil has assaulted me,
Re-shaped my features willfully,
Recording them deceitfully
On a sheet of paper.
I must admit, the pencil had
Done it well as such

But who allowed this much?
I am not sure, it may be robbery
Is the expression mine?
Or the lead’s?—However this may be,
The grimace and the pencil mark
Make fun of each other and then make up
Leaving afterwards hand-in-hand
As friends, setting out across the land.

The joke is that – fundamentally –
Neither is private property.

From: Reisebriefe eines Artisten, p. 69

By Joachim Ringelnatz